Dienstag, 30. Juni 2020

Zur Diskussion: Heilpraktikerberuf in Gefahr?

Seit über 80 Jahren ist der Beruf des Heilpraktikers ein fester und wichtiger Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens. In Deutschland gibt es ca. 47.000 niedergelassene Heilpraktiker. Der Heilpraktikerberuf ist neben dem Beruf des Arztes der zweite in Deutschland zugelassene freie Heilberuf.
Leider kam es in der Vergangenheit gehäuft zu negativen Medienberichten, die den Berufsstand in Misskredit brachten. 
Politiker fordern eine Neuregelung des Heilpraktikergesetzes, einige sogar die komplette Abschaffung des Berufs.

Heilpraktiker sind für viele die erste Anlaufstelle, um mit nebenwirkungsarmen Naturheilverfahren wie Akupunktur, Phytotherapie oder Homöopathie behandelt zu werden. Oft sind sie aber auch die letzte Anlaufstelle, wenn Patienten von der Schulmedizin enttäuscht sind.
Grundsätzlich genießen Heilpraktiker in ihrer Tätigkeit umfangreiche Freiheiten im therapeutischen Bereich. Bis auf wenige Ausnahmen stehen ihnen in der ambulanten Versorgung der Bevölkerung alle therapeutischen Möglichkeiten offen.
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Heilpraktiker arbeiten umsichtig und risikoarm. Die Gefahr, durch eine Heilpraktikerbehandlung Schaden zu erleiden, ist äußerst gering. Ziel des Heilpraktikers ist es, die in jedem Menschen innewohnenden Selbstheilungskräfte zu fördern, zu unterstützen und zu stärken. Sie sehen Krankheiten als eine Störung des gesamten Systems an. Er berücksichtigt die physische und psychische Dimension des Individuums. Die Naturheilkunde genießt hierzulande eine lange Tradition - ein Heilpraktikergesetz als solches gibt es nur in Deutschland.

Trotz dem weiterhin steigenden Interesse der Bevölkerung an natürlichen und alternativen Heilweisen, entfachte in Politik und Medien in den letzten Jahren eine Diskussion rund um den Heilpraktikerberuf, die darin gipfelte, dass das Bundesgesundheitsministerium im Herbst 2019 eine Ausschreibung für ein Rechtsgutachten veröffentlichte, welches das Heilpraktikerrecht umfassend aufarbeiten und den Gestaltungsspielraum einer Reform klären soll.
Das Bundesgesundheitsministerium möchte dabei prüfen, "ob Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker über den Arztvorbehalt hinaus von der Behandlung bestimmter Erkrankungen ausgeschlossen werden sollen und ob es die Möglichkeit gibt, den Beruf sogar entfallen zu lassen".

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Dem Heilpraktiker wird eine unzureichende Qualifikation unterstellt. Es wird aber übersehen, dass das Berufsbild schon lange durch zahlreiche Gesetzte und Verordnungen sowie eine anspruchsvolle Zulassungsprüfung geregelt wird. Dem Heilpraktiker liegt zwar ein gesetzlich geregeltes Berufsbild zugrunde, allerdings ohne staatliche Ausbildungsregelung. Daher wird regelmäßig die Neuregelung des Heilpraktikergesetzes laut. Das Gesetz besagt, dass, wer die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein, der Erlaubnis bedarf. Voraussetzung für die Erlaubnis ist, die Vollendung des 25. Lebensjahres, mindestens ein Hauptschulabschluss sowie die gesundheitlichen und sittlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Berufs aufweist. In der Realität ist die Schulbildung des Heilpraktikers durchaus höher.
Eine Umfrage des Verbands Unabhängiger Heilpraktiker mit 1.400 Heilpraktikern zeigt, dass knapp 80% Abitur oder Fachabitur besitzen und rund 27% über einen Studienabschluss verfügen. Und selbst die oft unterschätzte staatliche Überprüfung vor dem Gesundheitsamt entspricht in etwa dem des "Physikums" im Medizinstudium, der Zwischenprüfung nach 4 Semestern Regelstudienzeit.
In dieser anspruchsvollen schriftlichen und mündlichen Überprüfung werden umfassende Kenntnisse in Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre, Pharmakologie, Hygiene, Erster Hilfe, Gesetzeskunde und anderer Bereiche abgefragt. Wie anspruchsvoll diese Überprüfung ist, zeigt die Durchfallquote, die bundesweit bei 75% liegt.

Hat man erfolgreich die Hürde der staatlichen Überprüfung vor dem Gesundheitsamt genommen und lässt sich als Heilpraktiker nieder, unterliegt man in seiner Berufstätigkeit weiterhin einer ganzen Reihe von Gesetzten und Vorschriften.
Man muss das Patientenrechtegesetz beachten, welches unter anderem die Verschwiegenheitspflicht und die Sorgfaltspflicht umfasst. Darüber hinaus unterliegen Heilpraktiker dem Infektionsschutzgesetz, dem Arzneimittelgesetz, den Hygienerichtlinien usw. usw.

Der Heilpraktiker ist folglich ein geprüfter, durch das Gesundheitsamt zugelassener und durch die gesetzlichen Vorschriften kontrollierter Bestandteil unseres Gesundheitswesens. Zudem entlastet es unser Gesundheitssystem, da mehr als die Hälfte der Patienten die Behandlungen aus eigener Tasche bezahlen. Ärzte und Heilpraktiker sollten nicht miteinander konkurrieren, sondern sich ergänzen.

Warum dann die negativen Medienberichte?
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Auslöser der Berichterstattung um den Heilpraktikerberuf ist der Tod dreier Krebspatienten im Juli 2016 in Brüggen-Bracht nahe der niederländischen Grenze, die von einem Heilpraktiker per Infusion mit einer zu hohen Dosis eines bestimmten Präparats behandelt wurden (bei dem Präparat handelte es sich um "3-Bromopyruvat" - einem Derivat der Brenztraubensäure, das den Energiestoffwechsel in den Tumorzellen hemmen und somit den Zellentod beschleunigen). Dieses Präparat hat keine Zulassung für die Krebstherapie und wurde als verschreibungspflichtig eigestuft. Heilpraktiker sind nicht befugt, rezeptpflichtige Medikamente zu verschreiben. Leider ein dramatischer Einzelfall, der deutschlandweit eine Diskussion über den Heilpraktikerberuf auslöste und Konsequenzen für viele verantwortungsvoll tätige Heilpraktiker nach sich zog. 

Ebenfalls hat das Münsteraner Memorandum große Unruhe bei den Heilpraktikern ausgelöst. Das Münsteraner Memorandum Heilpraktiker, ist ein Statement zur Neuregelung des Heilpraktikerwesens, verfasst von einer interdisziplinären Gruppe aus 17 Ärzten und Wissenschaftlern. Anlass zum Statement des "Münsteraner Kreises" war auch hier der Fall Brügen-Bracht. In dem Memorandum ist die Rede von einer "minimalistischen Heilpraktikerprüfung", in der "minimale Kenntnisse zur Gefahrenabwehr verlangt werden", von "meist dogmatischen tradierten Krankheits- und Heilungskonzepten" der Heilpraktiker, die "aufgrund von fehlender Qualifikation allenfalls intuitiv oder zufällig zu korrekten Diagnosen und sinnvollen Therapievorschlägen" kämen. Sie schlagen vor, entweder die Befugnisse von Heilpraktikern zu begrenzen oder sie einer ärztlichen Weisungsbindung zu unterwerfen. Alternativ will der Münsteraner Kreis den Beruf komplett abschaffen.

Um dem medialen Druck nach einer höheren Qualitätssicherheit nachzukommen, wurden im März 2018 neue bundeseinheitliche Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktiker-Anwärtern eingeführt. Was in den meisten Gesundheitsämtern ohnehin schon abgefragt wurde, ist die Aufforderung in der mündlichen Prüfung die Überprüfung von praktischen Fähigkeiten. Zudem werden nun auch ggf. Kenntnisse über naturheilkundliche Behandlungsmethoden abgefragt, die in den Heilpraktikerschulen vermittelt werden.

Wie geht es weiter?
Das vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebene Rechtsgutachten soll voraussichtlich Mitte des Jahres veröffentlicht werden. Dies bleibt nun abzuwarten und die darin eventuell zu findenden Vorschläge zu diskutieren. Der Berufs- und Fachverband Freie Heilpraktiker e.V. hat als Antwort die Erstellung eines eigenen Rechtsgutachtens in Auftrag gegeben, welches die Möglichkeiten vonseiten der Heilpraktiker prüfen soll, selbst Vorschläge zu einer Neuregelung des Berufsbilds einzubringen. Eine Abschaffung der Heilpraktiker ist vom Großteil der Bevölkerung nicht gewünscht und wäre für das Gesundheitssystem wohl auch nicht förderlich.

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